Wenn es gegen die „Seefahrer-Ehre“ geht

Auf der Kante mit Liv an der Pinne: „Behütet“ von beiden Kutterführern machte sich die Steuerfrau am Ruder ganz hervorragend. Foto: har

Der zweite Regatta-Tag, an dem wir dreimal vor dem Marinestützpunkt Kiel auf der Innenförde das olympische Dreieck abgefahren sind – kurze Bilanz: 9., 6. und 7. Platz. Immer schön im Mittelfeld, was wir in den Regatten mit „Fritjof“ nie erreicht haben. Und es hätte heute sogar noch ein bisschen besser aussehen können … aber das ist eben die etwas längere Version. 😉

Einreihen beim Start: Beim ersten Lauf waren wir ein bisschen zu fix – Strafrunde um das Startschiff und das Ganze noch einmal … Foto: Fe

Die Übernahme des täglich wechselnden Kutters war am Morgen erstmal ein echter Schreck. Zwei Masten hatte das Gefährt; aber es sah so aus, als ob die Masten jeweils woanders hinwollten. Dazu hing der Besanmast nicht nur nach Backbord, sondern auch noch nach achtern. Die Frage, ob das so soll oder ob man da noch etwas machen könne, wurde von den Organisatoren beraten – aber letztlich erhielten wir einen abschlägigen Bescheid. Da wir nicht mehr Zeit und Laune hatten, selbst zu schrauben, takelten wir auf und beschlossen, das Beste daraus zu machen.

Ist das Brennholz, oder kann man damit segeln? Die Masten standen bei „K-70“ zwar schief und krumm; aber gut voran brachte uns der Kutter dennoch. Foto: har

Beim ersten Start nahmen wir dann extra Anlauf und gingen mit Schwung über die Startlinie, so schnell, dass wir nach einem kapitalen Frühstart jede Diskussion mit den Schiedsrichtern vermieden und schluckohrig das Startschiff umrundeten, um uns erneut hinten anzustellen. Die Idee, im vorderen Mittelfeld mitzumischen, konnten wir uns zwar abschminken; aber wir strengten uns trotzdem kräftig an. Immerhin hatte man uns nach den ersten Wettfahrten bescheinigt, segeln zu können. Da möchte man sich ja nicht blamieren. Und immerhin holten wir in diesem Lauf so weit auf, dass wir als Neunte durchs Ziel gingen.

Es sieht zeitweise auf der Regattabahn nicht so aus, als ob alle Boote wirklich das selbe Ziel hätten. Foto: Fe

In der zweiten Runde lief es besser. Nach der Ausgabe diverser „Manöverkekse“ aus Stephans tiefem Seesack stieg die Laune. Und Jörn als aktueller Kutterführer entschied, ab sofort Liv an die Pinne zu setzen. Und die schaukelte sich tatsächlich den schweren Marinekutter bis zum Start der zweiten Wettfahrt zurecht. Der klappte; wir wurden nicht zurückgepfiffen und konnten Kurs auf die erste Wendemarke nehmen. Allerdings wunderten wir uns schon gemeinschaftlich über einige für uns nicht nachvollziehbare Schiedsrichter-Entscheidungen, so dass wir beschlossen, beizeiten das Regelwerk zu konsultieren. Kleiner Spoiler: Die Schiedsrichter hatten Recht.

Geballte Kompetenz im Heck: Jörn und Stephan als Kutterführer gemeinsam mit Steuerfrau Liv … und der Rest wirkt einfach nur noch erschöpft. 😉 Foto: har

Die zweite Runde lief für uns deutlich erfolgreicher: Ständiges Schiften der Spieren, Ausbaumen der Fock, Spielen mit dem Schwert, Leetrimm – die Manöver gerieten immer flüssiger. Zudem schauten wir uns bei anderen und erfahrenen Marinekutter-Teams einige Dinge ab. Um die Fock straff durchzusetzen und gleichzeitig das Vertörnen der Fockschot zu verhindern, gibt es den Trick, die angeschlagene Vorleine durch das Fockfall zu ziehen und festzusetzen, eine echte Arbeitserleichterung. Die Fockschoten, die zudem nur durch Ringe geführt werden, bekamen auf beiden Seiten noch passende Blöcke montiert. Beides rief einen echten Aha-Effekt hervor.

Simpel aber effektiv: Die Vorleine im Fockfall löst gleich zwei Probleme auf einmal. Foto: har

Nach dem zweiten Lauf wurde das Wetter mies. Leichter Regen fiel. Und Sönke kontrollierte das Regenradar, das tatsächlich keine Niederschläge über Kiel verzeichnete. Was immer da auch auf uns heruntergerieselt ist. Steuerfrau Liv stellte massiven Mangel an Nahrungszufuhr fest und wurde achtern langsam knurrig. Selbstverständlich wählten wir den kürzesten Weg in den Hafen, um zur Mittagspause zu kommen. Vor der Mole erhielten wir das Angebot von Marinesoldaten, uns mit ihrem Schlauchboot schnell zum Liegeplatz zu schieben. Liv drehte sich darauf zu ihnen um und sagte: „Das ginge gegen meine Seefahrer-Ehre. Das schaffe ich allein.“ Jörn und Klaas guckten sich erst gegenseitig an, dann auf ihre Hände, die an den Griffen von Riemen ruhten. Da schob die Steuerfrau schnell hinterher: „Mit Eurer Hilfe, meine ich.“

Wenn es Spaß macht, bekommt man an Lee Besuch vom Wasser. Foto: Fe

Nach einem kurzen aber fantastischen Mittagessen, das Stephan mitgebracht hatte, mussten wir zur dritten Wettfahrt des Tages antreten. Der Regen hatte sich verzogen; dafür gab es etwas mehr Wind, also genau die Entwicklung, die wir erhofft hatten. Inzwischen hatten wir auch in die internationalen Regeln geschaut, die sich zum Glück auch spontan auf das Handy herunterladen lassen. Das Resultat: Die Fragen zu einer Schiedsrichter-Anmerkung am Morgen hatten sich erledigt. Sie hatten Recht gehabt. Es war darum gegangen, inwieweit Vorgaben für einander überlappende Boote in Bezug auf die Vorfahrt Gültigkeit beim Start haben. Kompliziert, doch sehr relevant, wenn man überlegt, an welcher Stelle man sich zu Beginn der Wettfahrt anstellt.

Mittendrin statt nur dabei: Mit dem Marinekutter haben wir uns bisher in keiner Wettfahrt abhängen lassen. Foto: Fe

Wir lernten den Marinekutter jedenfalls immer besser kennen, wussten, wie lange er braucht, um in Fahrt zu kommen. Platz sieben war das Resultat in der letzten Wettfahrt heute. Und Liv an der Pinne schlug sich wacker. Immerhin erhielt sie so viele gute Ratschläge aus allen Himmelsrichtungen, dass sie sich ab und zu wehren und darauf hinweisen musste, dass eine einzelne Quelle für Anweisungen durchaus reiche. Als wir am Nachmittag den Kutter aufgeklart und zurückgegeben hatten, bekamen wir noch den Hinweis vom Organisationsleiter Thomas Geburzky, dass es doch einen Film über unsere lange Strecke am Vortag gebe. Der findet sich bei „Kieler Woche TV“ unter dem Link: bit.ly/kielerwochetv Und morgen? Morgen kommt das große Finale – die beiden letzten Wettfahrten der Regatta mit Marinekuttern bei der Kieler Woche 2020. Dann werden wir mit Sicherheit in allen Knochen spüren, was wir in dieser außergewöhnlichen Woche alles auf dem Wasser angestellt haben.
Klaas

Die gute Seele der Marinekutter-Veranstaltungen zur Kieler Woche: Thomas Geburzky fotografiert ausnahmsweise selbst vom Startschiff „Piet“ aus. Foto: har

Wie mit der Straßenbahn …

Der letzte Schlag in Richtung Ziellinie vor der Kulisse des Olympiahafens Schilksee: Nach einer Stunde Fahrt war die Kutter-Flotte bereits am ersten Ziel angekommen. Foto: har

Ein bisschen Bammel hatten wohl alle, auch wenn es niemand zugab: Heute Morgen ging es erstmals mit den Kuttern in einer Kieler-Woche-Wettfahrt über eine vergleichsweise lange Strecke aus der Innenförde bis zum Olympiahafen Schilksee. Das Boot, das uns für den heutigen Tag zugelost worden war, befand sich in gutem Zustand. Allerdings hatten die Vornutzer das laufende Gut eher nachlässig behandelt. Da mussten wir zunächst aufräumen. Und auch die Segel waren sechs Jahre älter als beim Boot am Tag zuvor. Wir sollten es später merken, wenn wir die letzten Winkelgrade herauskitzeln mussten, um möglichst hoch an den Wind zu kommen.

An Bord unseres Kutters ist man nicht schlecht gelaunt, höchstens erschöpft. Und Jörn als Kutterführer war zum Glück auch nicht aus der Ruhe zu bringen. Foto: har

Chef-Organisator Thomas Geburzky gab vor dem Auslaufen noch jeder einzelnen Crew ein paar Worte mit auf den Weg. Bei uns sagte er unter anderem: „Ihr könnt richtig gut segeln. Und das konnte man gestern wieder sehen. Und damit muss Euch auch klar sein, dass Euer eigener Kutter „Fritjof“ nicht wettbewerbsfähig ist.“ Wir sollten weitermachen wie bisher, sagte er – mit einem Augenzwinkern in Richtung Jörn, dass das nicht als Unter-Druck-Setzen gemeint sei. Jörn hatte die Pinne heute übernommen und musste sich wie die Meisten von uns erstmal an das andere „Baumuster“ bei den Kuttern gewöhnen. Eine sehr kurze Eingewöhnungs-Phase, weil wir ziemlich spät mit dem Aufriggen fertigwurden und schnell in Richtung Startlinie kreuzen mussten. Jörn bekam wie alle anderen Steuerleute einen Tracker ausgehändigt, damit der Standort der Boote genau nachzuverfolgen war. „KielerWoche.tv“ begleitete das Spektakel zudem mit einem Kamerateam und Drohne, um die Wettfahrt live auf Großbildleinwände in Kiel übertragen zu können.

„Schmetterling“ – und das über eine halbe Stunde lang: Der erste Kurs in Richtung Schilksee wurde mit kräftigem Wind von achtern, ausgebaumter Fock und aufgeholtem Schwert absolviert. Foto: har

Der erste Start um zehn Uhr klappte aber hervorragend, und wir gingen im guten Mittelfeld auf die Bahn in Richtung Norden. Die gesamte Kutterflotte blieb verhältnismäßig nah beisammen. Nach und nach erinnerten wir uns an die Kleinigkeiten, die wichtig für den Vortrieb sein konnten – und schauten uns auch bei den „Mitbewerbern“ etwas ab. Als erstes bemerkten wir, dass die meisten anderen Kutter auf dem Vorwind-Kurs die Spieren nicht vor, sondern hinter den Masten fuhren. Wenn das alle machten, wollten wir uns ja nicht dumm stellen, schifteten Groß und Besan und siehe: Die Segel standen tatsächlich besser als vorher. Nach dem Ausbaumen der Fock und dem Aufholen des Schwerts fing „K-11“ an zu marschieren. Immer weiter schlichen wir uns im Feld nach vorn, bis wir zwischen Möltenort und Laboe plötzlich auf dem zweiten Platz fuhren, den letzten Kutter vor uns immer näher herankommen sahen.

Die Kutter-Flotte im „Schmetterling“-Modus läuft vor dem Wind wie auf Straßenbahn-Schienen in Richtung Norden. Foto: har

Dann schwenkten wir an der Tonne 3 wie vorgeschrieben in Richtung Schilksee. Und dort erwischten uns die Regatta-Vorfahrtsregeln, die letztlich den Ausschlag dafür gaben, dass wir im Feld wieder zurückgereicht wurden und die Ziellinie vor der Kulisse des Olympiahafens nach etwas mehr als einer Stunde Wettfahrt als Achte überquerten. Kein Grund für Ärgernis und Enttäuschung: Recht frohgemut ließen wir die Segel killen und trieben vor dem Hafen hin und her, um die Mittagspause an Bord zu verbringen. Landgang war uns wegen der strengen Hygiene-Regeln untersagt. Das Angebot der Organisatoren, einzelne Seglerinnen oder Segler mit einem „dringenden Bedürfnis“ per Boomeranger zu einer Toilette zu bringen, wurde freundlich abgelehnt.

Lunchpaket wie in der Jugendherberge: Mittagspause an Bord des Kutters vor dem Olympiahafen. Foto: har

Gegen Viertel vor zwölf rauschte ein Motorboot heran, und die Schiedsrichter unterrichteten uns darüber, dass um zwölf Uhr der Start zur fünften Wettfahrt erfolgte. Allen war klar, dass es nun um eine heftige Kreuz ginge. Die Fahrt wie auf Straßenbahn-Schienen vom Morgen würde sich erledigt haben. Und genau so war es auch. An der Startlinie funktionierte es nicht ganz so gut wie am Morgen. Aber wir waren selbstbewusst genug, um auch von hinten wieder ein paar Plätze gutmachen zu können. So leicht es auf der Hinfahrt gewesen war, „dicken Pötten“ auszuweichen und im Fahrwasser zu bleiben, so anspruchsvoll wurde es nun, Untiefen und Sperrgebieten, Frachtern und Fähren auszuweichen. Einige Halsen und Dutzende Wenden später waren wir wieder in der Innenförde. Und tatsächlich hatten wir bis dahin erneut einige andere Kutter hinter uns gelassen. Einen kleinen Piekser gab es dann aber doch direkt auf der Ziellinie: Um sicher zu gehen, hatten wir etwas zu lange ausgeholt. Und prompt fing uns ein anderes Boot direkt auf der Linie ab. Wieder Platz acht.

Egal in welcher Situation: Schiedsrichter waren immer in Reichweite. Foto: har

Abgespannt, mit wehen Händen und Rücken sowie klatschnass segelten und pullten wir zurück in den Bootshafen, takelten ab und gaben das Boot wieder an die freundliche Hafenbesatzung zurück. Auf dem Weg zu unserem Zelt begegneten wir noch der sympathischen Crew von der Marineunteroffizierschule in Plön und tauschten unsere Erlebnisse aus. Wir müssen wirklich einen müden und hungrigen Eindruck hinterlassen haben, denn die Plöner gaben uns gleich einige Runden schwedische Haferkekse aus. Auf jeden Fall waren die langen Wettfahrten eine wunderbare Abwechslung und echte Herausforderung im Vergleich zu den üblichen Kursen, die sonst abzufahren sind. Aber um die kümmern wir uns morgen wieder.

Da hatten wir noch (fast) alle hinter uns… Foto: har

Der Norddeutsche Rundfunk behauptete übrigens sowohl in seiner 18-Uhr-Sendung als auch im Schleswig-Holstein-Magazin, dass heute ja bei der Kieler Woche überhaupt nicht gesegelt wurde … Dafür, dass die Kutterflotte eine gute Stunde lang mit Tross und Startschiff direkt vor dem Hafen Schilksee zwischen den beiden Wettfahrten des Tages Pause machte, hin- und herkreuzte, ist das doch eine eher uninformierte Sichtweise … 😉
Klaas

Los-Glück und Turbo-Winde

Tatsächlich: Diese Flotte ist bei der zweiten Wettfahrt nicht vor, sondern hinter uns. Foto: Klaas

Eins gleich vorneweg: Von den spektakulärsten Situationen heute gibt es keine Bilder. Niemand an Bord des Kutters hätte dabei eine Hand frei gehabt, um auf einen Auslöser zu drücken. Kleinere „Badewannen“ gab es mehrfach bei Windstärken um fünf bis sechs Beaufort und entsprechenden Böen. Die im Training so gemütlich wirkende „Schüssel“ benahm sich, als hätte ihr jemand die Sporen gegeben. 7,7 Knoten Geschwindigkeit sprechen Bände.

Dennis am Ruder brachte uns mit traumwandlerischer Sicherheit über die Startlinie – meist mit Erfolg. 😎. Foto: har

Dennis hatte für diese ersten drei Wettfahrten die Pinne übernommen. Und wir waren extra früh auf die Bahn gegangen, um noch einige Schläge zu absolvieren. Bei der Kutter-Übernahme erlebten wir die erste Überraschung: Der am Trainingstag so gelobte Kutter „K-9“ war uns allen Ernstes gleich zugelost worden. Nach dem zügigen Auftakeln pullten wir aus dem Segelhafen – und hingen schon unter Besan und Fock auf der Kante …

Die nächste Böe ist schon in Sicht. Foto: har

Die erste Wettfahrt des Morgens ging zügig vonstatten. Das Tages-Team aus Dennis, Stephan, Tinka, Liv, Arne, Sönke, Kai und Klaas spielte sich gut und schnell aufeinander ein. Verwundert rieben wir uns nach der halben Strecke die Augen, fuhren wir doch selbstbewusst in der Mitte des Feldes mit und landeten bei der Zieldurchfahrt auf Platz fünf.

Wetter für den klassischen Marinekutter: Unseren zierlichen ZK-10 hätten wir unter diesen Bedingungen nicht segeln wollen. Foto: har

Bis zur zweiten Wettfahrt sollte es noch dauern. Der Wimpel für eine Startverschiebung wurde aufgezogen, und wir ritten unseren Kutter in heftigen Böen auf der Kante immer hin und her. Als es dann losging, lotste Dennis den „K-9“ mit Blick auf Timer und Segel erneut auf die Sekunde über die Linie. Etliche Kutter wurden nach Frühstarts und heftiger Wuhling von den Schiedsrichtern zurückgepfiffen. Die sich öffnende Lücke nutzten wir und rauschten geradezu berauscht auf einen dritten Platz in dieser zweiten Wettfahrt. Beim Anlegen gab es Lob vom Chef-Organisator der Regatta. Thomas Geburzky nahm beide Daumen hoch und sagte: „Eine Marine-Jugend, die so gut segelt – ich bin begeistert!“

Startschiff und Schiedsrichter: Chef-Organisator Thomas Geburzky (links) und sein Team. Foto: har

Nach einem kurzen und frugalen Mahl, das erneut Stephan gezaubert und Kai mit Wiener Würstchen ergänzt hatte, marschierten wir eilig von unserem Zelt zurück zum Bootshafen. Die Startverschiebung der zweiten Wettfahrt hatte die Pause verkürzt. Nun mussten wir eilen, damit wir rechtzeitig zum Startschuss wieder an der Linie wären. Der Wind hatte inzwischen sogar noch zugenommen. Noch beim Auslaufen berieten wir kurz, ob wir ein Reff ins Großsegel stecken müssten, entschieden uns jedoch dagegen.

Nach Stunden mit den Schoten in den Händen ging absolut nichts mehr. Foto: har

Nach den Überraschungs-Erfolgen der ersten beiden Wettfahrten folgte in der dritten Wettfahrt ein kleiner Dämpfer. Zwar waren wir wieder auf die Sekunde an der Startlinie; aber weil die Schiedsrichter (und wir auch) fanden, dass wir uns wohl ein wenig reingedrängelt hatten, folgte der Jury-Pfiff und die damit verbundene Aufforderung, einen 360-Grad-Kreis als Strafe zu fahren. Absolvierten wir natürlich, ohne zu murren. Immerhin kamen wir auf dem achten Platz ins Ziel. Hätte schlimmer kommen können. Der gesamte Kurs dieser Wettfahrt, der uns bei vergangenen Kieler Wochen in ZK-10-Regatten schon Stunden gekostet hatte, war heute nach nur 15 Minuten beendet. Müde und auf Gesamtplatz vier schlichen wir zurück zum Zelt. Morgen geht es dann auf die lange Strecke nach Schilksee. Und der Wind soll nicht weniger werden.

Klaas

Ein zurecht zufriedener Steuermann auf dem Weg zurück in den Marinestützpunkt. Foto: har
Aufräumen im Hafen nach der Wettfahrt: Aber wir haben schon die richtige Routine entwickelt. Foto: har

Tag X-1 oder: Trainieren auf „Friedhilde“

Der Kutter K-10 kommt auf Gegenkurs, und die Steuerfrau hält das Boot ununterbrochen im Blick. Foto: Klaas

Leichte Anspannung vor dem Marinestützpunkt? Weit gefehlt. Die Kuttercrew für den ersten Tag der „Regatta auf Marinekuttern“ macht einen zutiefst entspannten Eindruck. Alle sind pünktlich da: Liv, Tinka, Arne, Constantin, Ole, Kai, Stephan und Klaas. Stephan fährt den „Verpflegungswagen“ in den Stützpunkt, gefüllt mit Schwimmwesten, Ersatzteilen und vielen Leckereien für die Mittagspause. Die Formalien an der Wache allerdings brauchen ihre Zeit. Die Besatzungen für die Regatta werden am Tor abgeholt und geschlossen zum Segler-Bereich gebracht. So verbringen wir erstmal 20 Minuten in der Morgensonne und warten auf unseren „Hirten“. Der stellt sich als Chef-Schiedsrichter der Wettkämpfe heraus und bringt uns nicht nur zu unserem, eigens für jede Mannschaft aufgestellten Zelt, sondern erläutert uns zudem gleich die linken und rechten Grenzen dieser Wettkämpfe.

Nein, Arne fällt nicht vor Langeweile gleich um. Die stundenlange Segelei auf dem Kutter ist tatsächlich ziemlich anstrengend. Foto: Klaas

Nachdem wir uns eingerichtet haben, jede und jeder ihr/sein kleines Armbändchen angelegt hat, das uns als Regattateilnehmer ausweist, gehen wir zum Bootshafen, um unseren Kutter für diesen Tag in Empfang zu nehmen. Aber: Pustekuchen. Die Listen mit den zugelosten Kuttern sind dort noch nicht angekommen; also warten wir erstmal wieder ein Viertelstündchen. Dann aber geht alles fix. Die zuständigen Marinesoldaten weisen uns ein Boot zu, lassen uns für die Übernahme unterschreiben – und behalten uns vorsichtshalber im Auge, um eingreifen zu können, wenn wir das mit dem Auftakeln nicht hinbekommen. Und in der Tat unterscheiden sich die Marinekutter ziemlich deutlich von unserem gewohnten kleinen ZK-10-Kutter „Fritjof“. Kai und Klaas haben die Marinevariante in der Vergangenheit allerdings schon gesegelt. Und so wird eine Spiere nach der anderen in den entsprechenden Haken gehängt, die Geitaue werden befestigt, Schoten und Strecker angeschlagen, das Ruderblatt wird eingehängt. Nach einer guten halben Stunde legen wir von der Mole zum Trainieren ab. Die erste Wettfahrt ist ja auch erst morgen Früh angesetzt. Über dieses erste Ablegemanöver unter Riemen breiten wir hier mal lieber errötendes Schweigen. Aber wir setzen den uns anvertrauten Kutter „K-9“ nicht auf die Steine, kommen unter den Blicken mit hochgezogenen Augenbrauen ins Hafenbecken und sehen zu, dass wir wegkommen …

„Siehst Du den Kasten dort?“ „Klar, aber auch nur ein Segler, und wir sind auf Backbordbug.“ „Ach so.“ Wir werden beim Umfahren dieser Bark dann aber doch nicht versenkt… Foto: Klaas

Wir gewöhnen uns schnell an unseren neuen fahrbaren Untersatz. Er ist super gepflegt. Die Geschichte mit dem Schiften der Spieren in den Wenden und Halsen funktioniert erstaunlich gut. Und wenn das Riesenschiff erstmal Tritt gefasst hat, ist es auch richtig schnell. Bei leichtem Wind kommen wir immer wieder an die sechs Knoten heran. Wenden, Wenden, Wenden, Halsen – bis Steuerfrau Liv mit drohendem Unterton fragt, wann es denn Mittagessen gibt, scheuchen wir „K-9“ auf der Förde hin und her. Und nachdem auch sechs, sieben weitere Kutter zum Training auf der Förde erschienen sind, stellen wir fest, dass unser Boot bei weitem nicht das Langsamste zu sein scheint. Wir beginnen damit zu spekulieren, ob sich solch ein Kutter nicht auch im Fuhrpark der Marine-Jugend Kieler Förde gut machte. Einhellige Zustimmung. Und als ob wir überhaupt daran denken könnten, „K-9“ einfach mitzunehmen (Kai hatte doch unterschrieben, oder?), denkt sich die Crew schon Namen für den Kutter aus. Die Steuerfrau verlangt eine weibliche Benennung und schlägt gleich in Anlehnung an unseren wirklich eigenen Kutter die Bezeichnung „Friedhilde“ vor. Bessere Ideen folgen vor dem Mittagessen nicht mehr. Kais Vorschlag „Fritteuse“ wird jedenfalls nicht weiter verfolgt.

Stephan schneidet auf: Die selbst gemachten Leckereien sättigen die Crew dermaßen, dass nach dem Geschnatter an Bord hier nach einigen Minuten eher „gefräßiges Schweigen“ zu vernehmen ist. Die Goldene Kochmütze geht jedenfalls an unseren Kassenwart! Foto: Klaas

Nach dem Essen geht es noch einmal auf unseren „K-9“. Gut anderthalb Stunden lang versuchen wir einen Kurs abzufahren, den die Marine zwischenzeitlich auf der Förde ausgelegt hat. Gegen 14.15 Uhr nehmen wir wieder Kurs auf den Marinestützpunkt, um das Boot aufzuklaren und ordentlich aufgeräumt und von allen Krümeln der legendären „Manöverkekse“ befreit, an die Crew des Bootshafens zurückzugeben. Leider ist die Chance gering, am nächsten Tag erneut bei „K-9 Friedhilde“ einsteigen zu können. An jedem Wettfahrttag werden die Boote neu ausgelost. Aber wer weiß? Vielleicht haben wir ja Glück. Das Wetter am ersten Wettfahrttag soll jedenfalls nicht so schön werden wie im Training. Aber die Crew schaut sehr optimistisch auf die kommende Regatta.
Klaas

Etliche Kutter sind zum Training unterwegs. Und wir stellen fest, dass unser „K-9“ sich heute nicht zu verstecken braucht. Foto: Klaas

Was tun mit dem angefangenen Sonnabend?

Wenn die Kieler Woche beginnt, muss man wohl aufs Wasser – egal, welche Beschäftigungsmöglichkeiten vielleicht sonst noch im Raume schweben. Foto: Kai

Wenn das Programm des sonnabendlichen Gruppennachmittags in Frage gestellt wird, beginnt der Zweifel meist mit der unterschiedlichen Interpretation der Windvorhersage für diesen Tag … Dieses Wochenende war es wieder einmal soweit: Ob es regnet oder nicht, ist eher von untergeordneter Bedeutung; aber diverse Apps sagten Böen bis Windstärke 7 voraus. Also war es vielleicht besser, zumindest Alternativen im Hinterkopf zu haben. Malte, einer der Jugendsprecher, bereitete sich auf Theorie-Unterricht vor, um Kinder und Jugendliche nicht nach Haus schicken zu müssen. Letztlich setzte sich allerdings Kutterführer Jörn durch. Denn ein Blick morgens aus dem Fenster rief in Erinnerung, was an diesem Tag eigentlich in der Stadt los war – nämlich der Beginn der Kieler Woche. Ehrensache, dass der eigene Verein nicht im Gruppenraum über Finessen von Wenden und Halsen brüten sollte.

Der Kutterführer schaut aus dem Fenster – und sieht Folgendes … der Moment, in dem sich die Ideen, sich an diesem Tag an Land mit theoretischen Grundlagen zu befassen, in Luft auflösen. 😉 Foto: Jörn

Bei dem erhöhten Verkehrsaufkommen auf der Kieler Förde haben sich Jollen aller Größen auch erledigt. Kurzerhand wird umdirigiert: Opti-Gruppe und Jollen-Gruppe werden zur gemeinsamen Kutter-Gruppe. Alle Seglerinnen und Segler, die an diesem Tag aufs Wasser möchten, werden am Vereinsheim am Düsternbrooker Weg gesammelt und dann zum Liegeplatz des Kutters „Fritjof“ dirigiert. Jörn spricht noch einige mahnende Worte in verschiedene Richtungen; dann geht es auch schon los.

Optis, 420er, Laser und Flöhe bleiben an diesem Wochenende im Gruppenraum. Foto: Kai

Jörn wählt aber angesichts der Böen das sichere Drei-Segel-Modell: Flieger, Genua und Besan – für die Kreuzerei auf der Innenförde die ideale Variante; das Großsegel bleibt an seinem Baum eingerollt. Am ersten Tag der Kieler Woche kommt es nicht auf Show an, sondern auf die sichere Kenntnis der Vorfahrtsregeln auf dem Wasser. Die Crew verbringt einige schöne Stunden auf der Förde. In der kommenden Woche werden wir uns mit einem fremden Kutter zufriedengeben müssen: Die Wettfahrten der „Regatta mit Marinekuttern“ werden in diesem Jahr ausschließlich mit von der Marine gestellten und täglich zugelosten Booten bestritten. „Fritjof“ wird also Pause haben bis zur abschließenden Windjammer-Parade am kommenden Wochenende.

So ruhig es sonst auf der Innenförde zugehen mag: Zur Kieler Woche gelten andere Spielregeln. Foto: Cathrine

An Land wird derweil dennoch gearbeitet. Die Saison ist mit der Kieler Woche noch nicht zu Ende. Guido, Malte, Cathrine und Klaas kümmern sich in der Bootshalle ums „Schwarzbrot“. Segel werden gestaut, ein „Floh“ und ein 420er repariert. Kleines Ärgernis: Wenn alle Beschläge an einer Jolle wieder verschraubt sind und plötzlich die Deckel für die Inspektionsluken fehlen, weil es mal wieder unterschiedliche Auffassungen vom Aufräumen gegeben hat. Nach längerer Zeit und fruchtloser Suche tauchen schließlich besagte Deckel wieder auf. Das hätte noch gefehlt, dass ein Boot nicht mehr genutzt werden kann, weil die – sehr speziellen – Deckel nicht mehr aufzufinden sind. Die Bootshalle wird aufgeräumt; nach und nach kommen die Besatzungsmitglieder von „Fritjof“ auch wieder fröhlich zum Vereinsheim, und alle besprechen ihre Pläne für die Regattawoche. Da Liv, Tinka und Cathrine spitzbekommen haben, dass es wenigstens einige wenige Buden an der Kiellinie zur Festwoche gibt, müssen sie das nicht einmal ohne die erforderliche Zuckerdosis tun – zufälligerweise werden Mutzenmandeln direkt vor dem Vereinsheim ganz frisch zubereitet. 😉
Klaas

Letzte Handgriffe an einem „Floh“: Guido hat das Boot wieder auf Hochglanz gebracht – da fehlen plötzlich drei ordinäre Schraubdeckel … Foto: Cathrine
Nass-Schleifen am Spiegel des alten Lanaverre-420ers: Malte müht sich um eine Sperrholzleiste. Foto: Cathrine
Wenn Jugendsprecher und erster Vorsitzender so gucken, will man eigentlich gar nicht wissen, was sie da gerade sehen … Foto: Cathrine
Hat die Marine-Jugend Kieler Förde am ersten Tag der Kieler Woche 2020 würdig vertreten: Kutter „Fritjof“ mit Besatzung. Foto: Cathrine
Süßigkeiten gehören nun mal auch zur Kieler Woche – Liv und Cathrine haben die frischen Mutzenmandeln mit untrüglichem Gespür sofort aufgestöbert. Foto: Klaas

Eine Stadtrundfahrt vom Wasser aus

Marinekameradschafts-Vorsitzender Ralph Sudau (hinten rechts) erklärt den Gästen aus dem Ruhrgebiet, was man vom Wasser aus alles in der Stadt sehen kann. Foto: har

So ein Kutter taugt durchaus auch für andere Aufgaben als nur zum reinen Segeln: Die Marine-Kameradschaft Kiel hatte sich über das Wochenende Gäste aus dem Ruhrgebiet eingeladen und angefragt, ob es nicht möglich wäre, mit diesen die Innenförde abzufahren. Wenn eine Stadt sich schon um einen Meeresarm legt, bietet sich das Sightseeing vom Wasser aus ja geradezu an. Und da die Marinekameradschaft immer wieder ein großes Herz für den Jugendverein im selben Gebäude zeigt, gab es bei der Zusage auch überhaupt kein Zögern. Mit einer kleinen Rumpfbesatzung, Kutterführer Stephan und Rudergängerin Liv natürlich dabei, holten wir unser gutes Stück eine Stunde vor Beginn der Tour von seinem Liegeplatz ab und segelten ihn an den Vereinssteg.

Auch ein Gast darf mal an die Pinne. Und Liv passt dabei gut auf, dass nichts passieren kann. Foto: har

Pünktlich standen MK-Vorsitzender, Lebensgefährtin sowie das Gäste-Ehepaar parat. Schwimmwesten wurden ausgeteilt und noch von Land aus eine kleine Einführung zum Hintergrund der Geschichte des ZK-10-Segelkutters gegeben. Und dann ging es auch schon ganz fix los. Denn parallel zu unserer „Sonderfahrt“ lief ja auch der reguläre Gruppenbetrieb. Und wir wollten unserer Optimist-Flottille nicht übermäßig im Wege sein. Mit einem stetigen Wind von 3 bis 4 Beaufort aus Südwest und zunächst nur unter Flieger, Genua und Besan machten wir uns auf in Richtung Innenstadt.

Da soll der Kutter nicht im Weg sein: Michel sitzt zum ersten Mal an der Pinne eines Optis. Bruder Hannes passt gelassen auf ihn auf, denn er macht seine Sache richtig prima! Foto: Mirco
Eigentlich hatte der Wetterbericht unangenehmere Bedingungen für diesen Nachmittag vorhergesagt. Aber in diesem Fall freuten wir uns, dass die Vorhersage nicht ganz eintraf. Foto: Malte

Der Wind war allerdings so unpraktisch, dass wir die Sehenswürdigkeiten Kiels immer abwechselnd in kurzen Abständen am Ost- und Westufer anlaufen mussten. Sprich: Wir mussten kreuzen, und das ganz schön heftig. Immer und immer wieder legte Liv die Pinne um. Da die Förde zudem immer enger wird, gerieten die Abstände zwischen den Wenden immer kürzer; für die Handhabung der Segel und Leinen bedurfte es zum Schluss nur noch des Ankündigungs-Kommandos „Klar zur Wende“. Der Rest kam dann geradezu automatisch. Am Parkhaus vor dem Hauptbahnhof gab Ralph schließlich den Wink, den Kutter zu wenden.

Die passende App auf dem Handy dokumentiert die Kreuzerei in die Innenstadt von Kiel. Der halbwegs gerade Kurs markiert die Rückfahrt. Das abrupte Ende bedeutet nicht den Totalverlust des Kutters – offenbar hatte das Handy in der Backskiste einfach keinen Empfang und/oder keinen Saft mehr … Screenshot: Stephan

Der Wind hatte inzwischen etwas nachgelassen, und vor dem Wind stieg dann auch endlich das Großsegel. Im „Schmetterling“ ging es auf Gegenkurs: Flieger Backbord – Genua steuerbord – Großsegel backbord – Besan steuerbord. Ein toller Anblick, auch vom Boot selbst aus. Und so konnten wir wenig später unsere zufriedenen Gäste am Vereinssteg wieder an Land setzen. Dort waren wir auch niemandem mehr im Weg: Die Boote waren bereits aus dem Wasser, gesäubert und wieder in der Halle verstaut. So blieb uns nur noch, unseren „Fahrgast-Dampfer“ an seinen Liegeplatz zu zurückzusegeln und auch diesen wieder aufzuklaren.
Klaas

Kurz nach dem Anbordnehmen der Gäste: Wir sollten noch viele Wenden und Halsen vor uns haben. Foto: Malte

Und dann zielte auch noch eine Möwe auf das Segel

Das geht so nicht: Auf dem ganz neuen Segel hat eine Möwe ihre Hinterlassenschaft gesetzt. Stephan sieht zu, dass das sofort wegkommt. Foto: Malte

Entspanntes Segeln auf Kutter „Fritjof“: Nach dem heftigen Wind und dem Starkregen der vergangenen Tage ging es ganz friedlich auf die Innenförde. Die Schulzeit fordert auch ihren Tribut; deshalb waren nur Liv, Malte, Arne und Peer mit Kutterführer Stephan unterwegs. Das heißt, ein bisschen Spannung gab es doch an diesem Nachmittag – das erste Mal gleich nach dem Ablegen. Irgend jemand – Schuldige suchen wir bei uns grundsätzlich nicht – hatte leider vergessen, das Schwert abzusenken. Und dazu behinderte auch noch eine Wuling die Dirk des Besans. Wer weiß, welche Funktionen die verschiedenen Segel bei Segelmanövern inne haben, was dazu noch das Schwert für die Abdrift bedeutet, kann sich denken, was selbst bei leichtem Wind mit einem schwerfälligen Kutter passiert. Sagen wir mal so: Die Dalben gegenüber kamen immer näher und näher …

Das Schwert ist unten. Und „Fritjof“ hat es unbeschadet aus dem Hafenbecken geschafft. Foto: Malte

Aber die kleine Crew kam glimpflich mit dem Schrecken davon – keine zusätzlichen Kratzer im Lack und im Selbstbewusstsein. Mit dem aufgeklarten Boot segelte es sich dann auch gemütlich auf die Förde. Hoch am Wind ging es Richtung Hörn bis auf Höhe der Stena-Fähre und anschließend ganz gemütlich wieder zurück. Zwischendurch kam allerdings der zweite Aufreger: Das erstmals zum wirklichen Segeln genutzte Groß wurde von einer frechen Möwe als Zielscheibe genutzt, nicht für den Schnabel, sondern für die Rückseite des Flattermanns. Die ätzende Hinterlassenschaft musste sofort beseitigt werden. Wir wollen auf dem blütenweißen teuren Tuch ja nicht gleich fiese Flecken.
Stephan + Klaas

Die Segel stehen; es geht voran. Dann haben auch alle gleich wieder gute Laune an Bord. Foto: Malte

Neue Segel und richtig viel Arbeit

Erstes Ablegen unter neuen Segeln: Die Stimmung an Bord ist etwas angespannt … Foto: Mirco

Was tun, wenn ein richtiger Gruppennachmittag mit Optimisten- und Jollen-Anteil durchgeplant ist, die Anmeldezahlen stimmen, der Sonnenschein vorhanden ist – aber die Windvorhersage zwischen fünf und sieben Beaufort schwankt? Naja, umplanen halt, auch wenn damit die Erwartungen einiger junger Teilnehmerinnen und Teilnehmer für diesen Tag leider nicht erfüllt werden können. Zu tun ist schließlich immer etwas. Heute auch: Gemeinsam mit Ole, Mirco und Michel krempelten Janek, Malte und Guido die Ärmel hoch und begannen mit Dingen, die sonst vorrangig in der Winterzeit abgearbeitet werden: der Prüfung von Arbeiten an Booten, die wieder zum Einsatz kommen sollen.

Hier hilft nur noch Nitro-Verdünnung: Janek befreit Masten von Kleberückständen. In der Vergangenheit waren bei einigen Booten recht wilde Konstruktionen ausgedacht worden, um Verklicker zu befestigen. Foto: har
Malte bastelt neue Mastsicherungen und testet anschließend gewissenhaft, ob die auch so funktionieren, wie er sich das vorgestellt hat. Foto: har
Der Herr der Werkstatt: Guido hakt Arbeitslisten Punkt für Punkt ab, damit in den kommenden Wochen schadhafte Boote sinnvoll instand gesetzt werden können. Foto: har

Janek und Malte legten dann auch gleich massiv Hand an: Eine Optimist-Jolle nach der anderen wurde ins Freie gezogen und einer gründlichen Inspektion unterzogen, kleinere Schäden am Rigg gleich ausgebessert. Bei mehreren Booten hätte ein Gutachter nach der Aufnahme wahrscheinlich den wirtschaftlichen Totalschaden festgestellt; bei uns werden dagegen mit leicht hochgezogenen Augenbrauen die Schäden aufgelistet und gleich die nächsten Arbeitsschritte geplant. Schadhafte Mastduchtringe, Duchten, die sich in Wohlgefallen auflösen, schadhafte Auftriebskörper, da bleibt für die kommende Zeit genug zu tun. Die gute Nachricht: Die beiden „Inspekteure“ fanden auch genug „Optis“ in gutem Zustand, um den weiteren Übungsbetrieb aufrechtzuerhalten.

Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten … in den Werkstatt-Bereich: Janek und Stefan sortieren den Optimisten-Bestand in der Bootshalle. Foto: har

Guido schaute sich derweil die größeren Boote und deren Instandsetzungs-Bedarf an. Listen mit den Gewerken wurden an die Boote geklebt und auch hier zumindest grobe Pläne für die kommenden Wochen gemacht. Wenn die Jollen, die zurzeit im Übungsbetrieb eingesetzt werden, in der kommenden Wintersaison ihre Überholung verlangen, soll da möglichst nichts mehr im Wege stehen.

Beim Anschlagen der neuen Segel darf der Kutter halbwegs frei im Wind liegen. Foto: har

Aber wenn wir schon mal am Arbeiten sind, kann ja auch etwas Positives in Angriff genommen werden. Vor rund vier Wochen hatte die zweite Vorsitzenden Tina die neuen Segel für unseren ZK-10-Kutter „Fritjof“ von einem darauf spezialisierten Segelmacher aus Mecklenburg abgeholt. Windstärke fünf und ein bisschen mehr ist nichts, was einen Kutter unbedingt beeinträchtigen muss. Also wurde der von seinem Liegeplatz an den Vereinssteg gesegelt. Und Stephan, Dieter, Liv, Kai, Jan und Cathrine nahmen dort erstmal die alte Segel-Garderobe ab. Sorgfältig wurden die alten, sehr sehr alten Segel in ihre Säcke gepackt und zum Vereinsheim getragen. Auf dem Rückweg kamen dann die brandneuen Segel mit ihren frischen Vermessungsstempeln zum Kutter.

Die neue Fock ist angeschlagen. Da knistert, blinkt und blitzt noch wirklich alles. Foto: har

Mit Respekt und mehr Vorsicht als sonst wurden die neuen Tücher nacheinander angeschlagen. Und schon da stellten wir fest, dass die knisternden Segel schon so gut standen, dass einige Trimm-Verrenkungen, die wir mit den alten Tüchern jedesmal hatten absolvieren müssen, zunächst überflüssig sein werden. Andererseits nervte uns beim Setzen der Segel die kleinste Falte. Und die ganze Aktion dauerte auch wesentlich länger, als wir es vom routinemäßigen Anschlagen der alten Segel gewohnt waren.

Einfädeln der Reihleine am Großsegel: Die darf weder zu weit sein, noch darf sie zu eng anliegen. Foto: har

Nachdem die Garderobe bereit war, fehlte nur noch die Jungfernfahrt zurück zum Liegeplatz. Mit kleinen Umwegen selbstverständlich – wir wollten schließlich wissen, was die Segel so hermachen. Die Windstärken waren ja schon erwähnt worden. In diesem Zusammenhang wollten wir kein Risiko eingehen und legten folglich nur unter Vorsegel und Besan vom Vereinssteg ab. Was soll man sagen? „Fritjof“ bewegte sich über das Wasser, als hätte er einen Turbolader abbekommen. Nur unter den beiden kleineren Segeln fegte der doch eher behäbige Kutter mit 6,6 Knoten über die Förde. Das Großsegel ließen wir daraufhin bis zum Schluss lieber weg. Recht schnell kam der Kutter auch zu seinem Liegeplatz. Zum ersten Mal wurden die neuen Segel aufgetucht. Kais Hinweis, auch das Zusammenlegen besser anders zu gestalten als bisher, nahmen wir dankbar auf. Und so wurden die neuen Tücher nicht mehr zwischen Bäumen und Gaffeln gefaltet, sondern neben den Hölzern in großzügigen Taschen aufgerollt. Staunend und zufrieden standen wir anschließend auf dem Steg neben unserem Gefährt – voller Vorfreude auf die nächste Fahrt, dann möglichst unter vollen Segeln.
Klaas

Das Großsegel ist das komplizierteste Segel. Wenn das steht, geht alles andere etwas leichter. Foto: har
Michel und Ole passen auf die Vorleine des Kutters auf, damit „Fritjof“ nicht von dannen zieht. Foto: har

Die Erfindung des „Manöver-Kekses“

Wenig Wind und viel Segelfläche bringen unseren Kutter „Fritjof“ auf sehr gelassene Art und Weise über die Kieler Förde. Foto: har

Die Wettervorhersage versprach für diesen Kutter-Nachmittag wenige Wolken und wenig Wind – gute Voraussetzungen für eine nicht allzu anstrengende Tour auf der Kieler Innenförde mit einigen der neueren und jüngeren Mitglieder. Vor allem den Schülerinnen und Schülern steckte ganz offensichtlich ein fordernder Unterrichtstag in den Knochen. Und entsprechend müde gestalteten sich die Bewegungen an Bord. Kutterführer Stephan zog einige Male die Augenbrauen hoch, wenn eigentlich längst eingeübte und trainierte Manöver-Ansagen nur mit fragenden Blicken beantwortet wurden. Aber es war ja nicht viel Wind …

„Stephan, sag mal …“ Müdigkeit bedeutet nicht gleichzeitig schlechte Laune an Bord. 😉 Foto: har

Wesentlich munterer wurde es nach rund 45 Minuten, als Jan vom Bug aus die entscheidende Frage stellte: „Wann essen wir eigentlich Kekse?“ Das Filou wusste genau, dass eine große Rolle Doppelkekse an Bord war, denn Jan hatte sie doch selbst mitgebracht. Die Antwort des Kutterführers: „Nach dem Segelmanöver.“ Nun zog sich die schon angekündigte Wende noch ein bisschen hin. Auch die Frage nach Fischbrötchen erhielt eine unbefriedigende Antwort, konnten wir doch in der Ferne sehen, dass die in Frage kommenden Imbissbuden schon längst ihre Klappen heruntergelassen hatten. Und irgendwann begann Jan mit der Verteilung der Kekse an viele hungrige Mäuler – inzwischen war von achtern allerdings das Ankündigungskommando „Klar zur Wende!“ gekommen. Stephans eher rhetorische Frage, seit wann mitten im Segelmanöver gegessen wird, wurde von der Crew frech mit: „Das sind Manöver-Kekse“ beantwortet.

Der „Verpflegungsmeister“ an Bord von „Fritjof“: Jan hat die Kekse aus der Backskiste befreit. Foto: har

Der Wind ließ im Lauf des Nachmittags immer mehr nach. Dass wir dennoch nicht durchs Fahrwasser trieben, sondern meist genug Fahrt machten, um jedem Fördedampfer aus dem Weg gehen zu können, lag vielleicht an der erweiterten Segelfläche. Vor die Genua hatten wir nicht wie meist noch einen Flieger am Klüverbaum gesetzt, sondern einen Klüver mit den Ausmaßen einer zweiten Genua. Mit knapp 35 statt regulär 26 Quadratmetern am Wind blieb uns damit das durchaus angedrohte Pullen zurück in den Hafen erspart. Nach einem Blick auf die Uhr gab Stephan dann gegen viertel nach sechs das Signal zur Heimfahrt. Die müde Truppe sollte rechtzeitig wieder an Land kommen. Dass das nicht unberechtigt war, zeigte dann die zweite Erfindung des Tages: die „Halswende“, bei der nach dem üblichen „Klar zur Wende“ bei „Re“ die Pinne zügig vom Baum weggezogen wurde. Nun hat eine Halse durchaus Vorteile. Die Gefahr, bei der Kursänderung stehen zu bleiben, ist im Vergleich zur Wende minimal … Und wie gesagt: Es war wenig Wind, und wir waren alle seeeeehr müde. 😉
Klaas

Wenn der Kutterführer den Leetrimm gleich selbst übernimmt, statt die müde Mannschaft auf die andere Seite zu komplimentieren. 🙂 Foto: Klaas
„Wir wollen nach Hause!“ Und das hat auch unbeschadet funktioniert! Foto: har
Geschafft: Der Klüverbaum zeigt schon einmal auf die richtige Hafeneinfahrt. Foto: har

Hurra! Segeln pur!!!

Mit ein bisschen Gefühl reicht die Verlagerung des Körpergewichts aus, um den „Laser“ auf Kurs zu halten. Stefan macht es vor. Foto: Finja

Ein Segelnachmittag, wie er kaum besser sein konnte: Dreieinhalb Stunden kamen alle Beteiligten richtig auf ihre Kosten – zuerst die „Opti-Kapitäne“, danach die Jollen-Crews. Und auch die erfahrenen Aufpasser in den Begleitbooten durften zum Schluss selbst noch einmal Schoten in die Hände nehmen. Bei drei bis vier Windstärken und mittlerweile gewohntem Sonnenschein war auch das Drumherum ideal.

Jan und Ole nehmen Kurs auf eine rote Fahrwassertonne auf der Ostseite der Kieler Innenförde. Foto: Malte

Für die „Optimisten“ hieß es zweimal quer über die Förde und wieder zurück zu kommen. Wendemarke war jedes Mal die große rote Fahrwassertonne schräg gegenüber vom Marineheim. Danach legte die Truppe eine kleine Pause am Steg ein, gerade richtig, um Dieter und Kai zu beobachten, die mit der „Regulus“ am Verein vorbeisegelten. Aber die Zeit war für lange Pausen viel zu schade. Also erneut vom Steg abgestoßen und in die Förde gesegelt. So bequem der Hinweg, so anstregend der Rückweg: Die letzte Strecke nach Hause mussten die jungen Segler kräftig kreuzen.

Nur Windstärke drei, aber das Wasser kommt schon ganz schön hoch… Jan macht sich auf den Weg. Foto: Malte

Gute Sitte aus den bisherigen Erfahrungen mit der Corona-Pandemie: Die einzelnen Gruppen bleiben voneinander getrennt und kommen sich deshalb weder an Land noch auf dem Wasser ins Gehege. Und die Begleiter auf den Motorbooten können sich auf eine Klasse konzentrieren. Das hielten wir auch dieses Mal so. Während die Optis sich kreuzend zurück in Richtung Steg kämpften, bereiteten die übrigen Segler auf der Rasenfläche oberhalb des Anlegers ihre Jollen vor. Pünktlich gegen 15 Uhr rutschen 420er, „Floh“ und „Laser“ ins Wasser. Die überwiegend erfahreneren Seglerinnen und Segler nahmen sich ebenfalls zum „Einsegeln“ die rote Tonne aufs Korn. Aber dann ging es richtig ab auf der Förde …

Jörn und Liv beim Ritt über die Wellen im 420er „JamJam“. In diesem Moment wäre schon das Trapez fällig gewesen. Aber es ging auch so. Foto: Malte

Spaß stand im Vordergrund, aber im Umgang mit den Booten zeigte es sich, dass hier keine Anfänger unterwegs waren. Jörn und Liv drehten mit dem 420er „JamJam“ auf, obwohl sie ohne Trapezubehör unterwegs waren. Dann „verabschiedete“ sich auf einer „Floh“-Jolle ein Ausreitgurt, was den Vorschoter Janek ins Wasser katapultierte – der aber schaffte es, sich in die fahrende Jolle wieder zu Steuermann Malte hineinzuziehen. Arne und Louis ließen sich im „Floh“ nicht aus der Ruhe bringen und zogen sichtlich gelassen ihre Runden.

Aussteigen aus einem fahrenden Segelboot kann eigentlich jede(r). Janek allerdings schafft es, in das fahrende Boot auch wieder zu Malte einzusteigen. Foto: Finja

„Laser“ zu segeln, ist für den Anfang in diesen Sport nicht zu empfehlen. Diese schnelle Einmann/frau-Jolle hat es ganz schön in sich, was die Anforderungen an Wissen, Kraft und Beweglichkeit angeht. Stefan, der „Laser“ nicht nur selbst lange gesegelt hat, sondern auch als Trainer in dieser Bootsklasse gearbeitet hat, durfte dieses Mal endlich einmal wieder selbst an die Pinne. Üblicherweise muss er das große Begleitboot steuern und dabei auch noch auf die Jüngeren aufpassen. Inzwischen hat Finja den passenden Führerschein erworben und darf auch ans Steuerrad. Diese Gelegenheit ließ sich Stefan deshalb auch nicht entgehen. Als sich das Vergnügen allerdings dem Ende näherte, legte er das Boot allerdings eiskalt um. Er wollte sich wenigstens einen Teil des anschließenden Säuberns auf diese Weise ersparen … 😉

Für jede Show ist Stefan zu haben. Die „Memphis Belle“ hat er allerdings absichtlich umgedreht. Foto: Malte

Nicht, dass es wirklich geholfen hätte: Zwar wurden so sicherlich einige Flecken weggespült; im Anschluss an die Gruppennachmittage werden bei uns dennoch sämtliche Boote, Motoren (und nasse Segel) gründlich mit Süßwasser abgespült … aus Gründen … Denn nach dem Segeln ist vor dem Segeln. Das gesamte Equipment wurde gesäubert, die Segel aufgehängt, Riggs und Rümpfe wieder trocken verstaut. Das nächste Mal möchte sich ja niemand mit Pflegemaßnahmen aufhalten, bevor er in die Jolle steigt.
Malte

Finja übernimmt das große Motorboot, auf dem sonst sehr oft Stefan sitzt – seine gewohnte Siegerpose hat sie jedenfalls schon perfekt drauf. Foto: Malte
Louis und Arne rauschen entspannt mit ihrem „Floh“ über die Förde. Foto: Malte
Mal wieder selbst ins Segelboot und nicht nur andere unterstützen: Malte und Janek sind auch im „Floh“ unterwegs. Foto: Finja
Ole an der roten Tonne K6 – unsere beliebte Wendemarke. Foto: Malte
Die „Optimisten“ sind im Anmarsch nach Hause; die größeren Jollen kommen derweil nach und nach zum Steg herunter. Foto: Malte
Schade, schon vorbei das Vergnügen: Liv und Jörn legen wieder an. Foto: Malte
Man kann wirklich ausgelassen sein und Spaß auf der Kieler Förde haben – irgendwie ist es zu sehen. Foto: Malte