Wie mit der Straßenbahn …

Der letzte Schlag in Richtung Ziellinie vor der Kulisse des Olympiahafens Schilksee: Nach einer Stunde Fahrt war die Kutter-Flotte bereits am ersten Ziel angekommen. Foto: har

Ein bisschen Bammel hatten wohl alle, auch wenn es niemand zugab: Heute Morgen ging es erstmals mit den Kuttern in einer Kieler-Woche-Wettfahrt über eine vergleichsweise lange Strecke aus der Innenförde bis zum Olympiahafen Schilksee. Das Boot, das uns für den heutigen Tag zugelost worden war, befand sich in gutem Zustand. Allerdings hatten die Vornutzer das laufende Gut eher nachlässig behandelt. Da mussten wir zunächst aufräumen. Und auch die Segel waren sechs Jahre älter als beim Boot am Tag zuvor. Wir sollten es später merken, wenn wir die letzten Winkelgrade herauskitzeln mussten, um möglichst hoch an den Wind zu kommen.

An Bord unseres Kutters ist man nicht schlecht gelaunt, höchstens erschöpft. Und Jörn als Kutterführer war zum Glück auch nicht aus der Ruhe zu bringen. Foto: har

Chef-Organisator Thomas Geburzky gab vor dem Auslaufen noch jeder einzelnen Crew ein paar Worte mit auf den Weg. Bei uns sagte er unter anderem: „Ihr könnt richtig gut segeln. Und das konnte man gestern wieder sehen. Und damit muss Euch auch klar sein, dass Euer eigener Kutter „Fritjof“ nicht wettbewerbsfähig ist.“ Wir sollten weitermachen wie bisher, sagte er – mit einem Augenzwinkern in Richtung Jörn, dass das nicht als Unter-Druck-Setzen gemeint sei. Jörn hatte die Pinne heute übernommen und musste sich wie die Meisten von uns erstmal an das andere „Baumuster“ bei den Kuttern gewöhnen. Eine sehr kurze Eingewöhnungs-Phase, weil wir ziemlich spät mit dem Aufriggen fertigwurden und schnell in Richtung Startlinie kreuzen mussten. Jörn bekam wie alle anderen Steuerleute einen Tracker ausgehändigt, damit der Standort der Boote genau nachzuverfolgen war. „KielerWoche.tv“ begleitete das Spektakel zudem mit einem Kamerateam und Drohne, um die Wettfahrt live auf Großbildleinwände in Kiel übertragen zu können.

„Schmetterling“ – und das über eine halbe Stunde lang: Der erste Kurs in Richtung Schilksee wurde mit kräftigem Wind von achtern, ausgebaumter Fock und aufgeholtem Schwert absolviert. Foto: har

Der erste Start um zehn Uhr klappte aber hervorragend, und wir gingen im guten Mittelfeld auf die Bahn in Richtung Norden. Die gesamte Kutterflotte blieb verhältnismäßig nah beisammen. Nach und nach erinnerten wir uns an die Kleinigkeiten, die wichtig für den Vortrieb sein konnten – und schauten uns auch bei den „Mitbewerbern“ etwas ab. Als erstes bemerkten wir, dass die meisten anderen Kutter auf dem Vorwind-Kurs die Spieren nicht vor, sondern hinter den Masten fuhren. Wenn das alle machten, wollten wir uns ja nicht dumm stellen, schifteten Groß und Besan und siehe: Die Segel standen tatsächlich besser als vorher. Nach dem Ausbaumen der Fock und dem Aufholen des Schwerts fing „K-11“ an zu marschieren. Immer weiter schlichen wir uns im Feld nach vorn, bis wir zwischen Möltenort und Laboe plötzlich auf dem zweiten Platz fuhren, den letzten Kutter vor uns immer näher herankommen sahen.

Die Kutter-Flotte im „Schmetterling“-Modus läuft vor dem Wind wie auf Straßenbahn-Schienen in Richtung Norden. Foto: har

Dann schwenkten wir an der Tonne 3 wie vorgeschrieben in Richtung Schilksee. Und dort erwischten uns die Regatta-Vorfahrtsregeln, die letztlich den Ausschlag dafür gaben, dass wir im Feld wieder zurückgereicht wurden und die Ziellinie vor der Kulisse des Olympiahafens nach etwas mehr als einer Stunde Wettfahrt als Achte überquerten. Kein Grund für Ärgernis und Enttäuschung: Recht frohgemut ließen wir die Segel killen und trieben vor dem Hafen hin und her, um die Mittagspause an Bord zu verbringen. Landgang war uns wegen der strengen Hygiene-Regeln untersagt. Das Angebot der Organisatoren, einzelne Seglerinnen oder Segler mit einem „dringenden Bedürfnis“ per Boomeranger zu einer Toilette zu bringen, wurde freundlich abgelehnt.

Lunchpaket wie in der Jugendherberge: Mittagspause an Bord des Kutters vor dem Olympiahafen. Foto: har

Gegen Viertel vor zwölf rauschte ein Motorboot heran, und die Schiedsrichter unterrichteten uns darüber, dass um zwölf Uhr der Start zur fünften Wettfahrt erfolgte. Allen war klar, dass es nun um eine heftige Kreuz ginge. Die Fahrt wie auf Straßenbahn-Schienen vom Morgen würde sich erledigt haben. Und genau so war es auch. An der Startlinie funktionierte es nicht ganz so gut wie am Morgen. Aber wir waren selbstbewusst genug, um auch von hinten wieder ein paar Plätze gutmachen zu können. So leicht es auf der Hinfahrt gewesen war, „dicken Pötten“ auszuweichen und im Fahrwasser zu bleiben, so anspruchsvoll wurde es nun, Untiefen und Sperrgebieten, Frachtern und Fähren auszuweichen. Einige Halsen und Dutzende Wenden später waren wir wieder in der Innenförde. Und tatsächlich hatten wir bis dahin erneut einige andere Kutter hinter uns gelassen. Einen kleinen Piekser gab es dann aber doch direkt auf der Ziellinie: Um sicher zu gehen, hatten wir etwas zu lange ausgeholt. Und prompt fing uns ein anderes Boot direkt auf der Linie ab. Wieder Platz acht.

Egal in welcher Situation: Schiedsrichter waren immer in Reichweite. Foto: har

Abgespannt, mit wehen Händen und Rücken sowie klatschnass segelten und pullten wir zurück in den Bootshafen, takelten ab und gaben das Boot wieder an die freundliche Hafenbesatzung zurück. Auf dem Weg zu unserem Zelt begegneten wir noch der sympathischen Crew von der Marineunteroffizierschule in Plön und tauschten unsere Erlebnisse aus. Wir müssen wirklich einen müden und hungrigen Eindruck hinterlassen haben, denn die Plöner gaben uns gleich einige Runden schwedische Haferkekse aus. Auf jeden Fall waren die langen Wettfahrten eine wunderbare Abwechslung und echte Herausforderung im Vergleich zu den üblichen Kursen, die sonst abzufahren sind. Aber um die kümmern wir uns morgen wieder.

Da hatten wir noch (fast) alle hinter uns… Foto: har

Der Norddeutsche Rundfunk behauptete übrigens sowohl in seiner 18-Uhr-Sendung als auch im Schleswig-Holstein-Magazin, dass heute ja bei der Kieler Woche überhaupt nicht gesegelt wurde … Dafür, dass die Kutterflotte eine gute Stunde lang mit Tross und Startschiff direkt vor dem Hafen Schilksee zwischen den beiden Wettfahrten des Tages Pause machte, hin- und herkreuzte, ist das doch eine eher uninformierte Sichtweise … 😉
Klaas

2 Antworten auf „Wie mit der Straßenbahn …“

  1. Hohe Anerkennung sowohl für dei Segelleistung, das Durchhalten und auch für diesen Bericht! Weiterhin: „Mast- und Schotbruch“. – Unser MJK-Kutter FRITJOF wird sich heute/Donnerstag ab 16 Uhr auf der Innenförde befinden mit Helmut, Simon Jens Kruschwitz und Dieter (vielleicht noch weiteren?).
    Dieter

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