Wenn es gegen die „Seefahrer-Ehre“ geht

Auf der Kante mit Liv an der Pinne: „Behütet“ von beiden Kutterführern machte sich die Steuerfrau am Ruder ganz hervorragend. Foto: har

Der zweite Regatta-Tag, an dem wir dreimal vor dem Marinestützpunkt Kiel auf der Innenförde das olympische Dreieck abgefahren sind – kurze Bilanz: 9., 6. und 7. Platz. Immer schön im Mittelfeld, was wir in den Regatten mit „Fritjof“ nie erreicht haben. Und es hätte heute sogar noch ein bisschen besser aussehen können … aber das ist eben die etwas längere Version. 😉

Einreihen beim Start: Beim ersten Lauf waren wir ein bisschen zu fix – Strafrunde um das Startschiff und das Ganze noch einmal … Foto: Fe

Die Übernahme des täglich wechselnden Kutters war am Morgen erstmal ein echter Schreck. Zwei Masten hatte das Gefährt; aber es sah so aus, als ob die Masten jeweils woanders hinwollten. Dazu hing der Besanmast nicht nur nach Backbord, sondern auch noch nach achtern. Die Frage, ob das so soll oder ob man da noch etwas machen könne, wurde von den Organisatoren beraten – aber letztlich erhielten wir einen abschlägigen Bescheid. Da wir nicht mehr Zeit und Laune hatten, selbst zu schrauben, takelten wir auf und beschlossen, das Beste daraus zu machen.

Ist das Brennholz, oder kann man damit segeln? Die Masten standen bei „K-70“ zwar schief und krumm; aber gut voran brachte uns der Kutter dennoch. Foto: har

Beim ersten Start nahmen wir dann extra Anlauf und gingen mit Schwung über die Startlinie, so schnell, dass wir nach einem kapitalen Frühstart jede Diskussion mit den Schiedsrichtern vermieden und schluckohrig das Startschiff umrundeten, um uns erneut hinten anzustellen. Die Idee, im vorderen Mittelfeld mitzumischen, konnten wir uns zwar abschminken; aber wir strengten uns trotzdem kräftig an. Immerhin hatte man uns nach den ersten Wettfahrten bescheinigt, segeln zu können. Da möchte man sich ja nicht blamieren. Und immerhin holten wir in diesem Lauf so weit auf, dass wir als Neunte durchs Ziel gingen.

Es sieht zeitweise auf der Regattabahn nicht so aus, als ob alle Boote wirklich das selbe Ziel hätten. Foto: Fe

In der zweiten Runde lief es besser. Nach der Ausgabe diverser „Manöverkekse“ aus Stephans tiefem Seesack stieg die Laune. Und Jörn als aktueller Kutterführer entschied, ab sofort Liv an die Pinne zu setzen. Und die schaukelte sich tatsächlich den schweren Marinekutter bis zum Start der zweiten Wettfahrt zurecht. Der klappte; wir wurden nicht zurückgepfiffen und konnten Kurs auf die erste Wendemarke nehmen. Allerdings wunderten wir uns schon gemeinschaftlich über einige für uns nicht nachvollziehbare Schiedsrichter-Entscheidungen, so dass wir beschlossen, beizeiten das Regelwerk zu konsultieren. Kleiner Spoiler: Die Schiedsrichter hatten Recht.

Geballte Kompetenz im Heck: Jörn und Stephan als Kutterführer gemeinsam mit Steuerfrau Liv … und der Rest wirkt einfach nur noch erschöpft. 😉 Foto: har

Die zweite Runde lief für uns deutlich erfolgreicher: Ständiges Schiften der Spieren, Ausbaumen der Fock, Spielen mit dem Schwert, Leetrimm – die Manöver gerieten immer flüssiger. Zudem schauten wir uns bei anderen und erfahrenen Marinekutter-Teams einige Dinge ab. Um die Fock straff durchzusetzen und gleichzeitig das Vertörnen der Fockschot zu verhindern, gibt es den Trick, die angeschlagene Vorleine durch das Fockfall zu ziehen und festzusetzen, eine echte Arbeitserleichterung. Die Fockschoten, die zudem nur durch Ringe geführt werden, bekamen auf beiden Seiten noch passende Blöcke montiert. Beides rief einen echten Aha-Effekt hervor.

Simpel aber effektiv: Die Vorleine im Fockfall löst gleich zwei Probleme auf einmal. Foto: har

Nach dem zweiten Lauf wurde das Wetter mies. Leichter Regen fiel. Und Sönke kontrollierte das Regenradar, das tatsächlich keine Niederschläge über Kiel verzeichnete. Was immer da auch auf uns heruntergerieselt ist. Steuerfrau Liv stellte massiven Mangel an Nahrungszufuhr fest und wurde achtern langsam knurrig. Selbstverständlich wählten wir den kürzesten Weg in den Hafen, um zur Mittagspause zu kommen. Vor der Mole erhielten wir das Angebot von Marinesoldaten, uns mit ihrem Schlauchboot schnell zum Liegeplatz zu schieben. Liv drehte sich darauf zu ihnen um und sagte: „Das ginge gegen meine Seefahrer-Ehre. Das schaffe ich allein.“ Jörn und Klaas guckten sich erst gegenseitig an, dann auf ihre Hände, die an den Griffen von Riemen ruhten. Da schob die Steuerfrau schnell hinterher: „Mit Eurer Hilfe, meine ich.“

Wenn es Spaß macht, bekommt man an Lee Besuch vom Wasser. Foto: Fe

Nach einem kurzen aber fantastischen Mittagessen, das Stephan mitgebracht hatte, mussten wir zur dritten Wettfahrt des Tages antreten. Der Regen hatte sich verzogen; dafür gab es etwas mehr Wind, also genau die Entwicklung, die wir erhofft hatten. Inzwischen hatten wir auch in die internationalen Regeln geschaut, die sich zum Glück auch spontan auf das Handy herunterladen lassen. Das Resultat: Die Fragen zu einer Schiedsrichter-Anmerkung am Morgen hatten sich erledigt. Sie hatten Recht gehabt. Es war darum gegangen, inwieweit Vorgaben für einander überlappende Boote in Bezug auf die Vorfahrt Gültigkeit beim Start haben. Kompliziert, doch sehr relevant, wenn man überlegt, an welcher Stelle man sich zu Beginn der Wettfahrt anstellt.

Mittendrin statt nur dabei: Mit dem Marinekutter haben wir uns bisher in keiner Wettfahrt abhängen lassen. Foto: Fe

Wir lernten den Marinekutter jedenfalls immer besser kennen, wussten, wie lange er braucht, um in Fahrt zu kommen. Platz sieben war das Resultat in der letzten Wettfahrt heute. Und Liv an der Pinne schlug sich wacker. Immerhin erhielt sie so viele gute Ratschläge aus allen Himmelsrichtungen, dass sie sich ab und zu wehren und darauf hinweisen musste, dass eine einzelne Quelle für Anweisungen durchaus reiche. Als wir am Nachmittag den Kutter aufgeklart und zurückgegeben hatten, bekamen wir noch den Hinweis vom Organisationsleiter Thomas Geburzky, dass es doch einen Film über unsere lange Strecke am Vortag gebe. Der findet sich bei „Kieler Woche TV“ unter dem Link: bit.ly/kielerwochetv Und morgen? Morgen kommt das große Finale – die beiden letzten Wettfahrten der Regatta mit Marinekuttern bei der Kieler Woche 2020. Dann werden wir mit Sicherheit in allen Knochen spüren, was wir in dieser außergewöhnlichen Woche alles auf dem Wasser angestellt haben.
Klaas

Die gute Seele der Marinekutter-Veranstaltungen zur Kieler Woche: Thomas Geburzky fotografiert ausnahmsweise selbst vom Startschiff „Piet“ aus. Foto: har

2 Antworten auf „Wenn es gegen die „Seefahrer-Ehre“ geht“

  1. Mit dem ersegelten Mittelplatz, super!, ist die Ehre unseres MJK nun zumindest halbwegs wieder hergestellt.
    Noch besser, wenn bis zur Regatta 21 zusätzlich zu Liv und Arne noch ein paar älter als 12 (?)- jährige auf Kutter fittrainiert werden könnten. Dann käme der Crewmix unserem Namen näher.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert