Die süßen Klänge der Winterarbeit: Bohren, Schleifen, Hämmern … Wer das sorgfältig geführte Anwesenheitsbuch im Marineheim studiert, stellt fest, dass zurzeit mehr Bewegung im Verein ist als in manchen Wochen der Saison. Streng nach Corona-Regeln selbstverständlich – und genau deshalb muss die Arbeit auf unterschiedliche Tage verteilt werden. Vor allem Guido, Thomas und Malte haben schon kräftig hingelangt. Die „Floh“- und die „Laser“-Jollen sind schon wieder aus der Halle geschoben worden und im Außenlager unter Planen verpackt. Die Bootshalle sieht zurzeit aus wie eine Fachwerkstatt für „Optimisten“ aller Alters- und Güteklassen. Sauber auf Holzböcken verteilt warten die „Patienten“ auf die jeweils individuell abgestimmte Versorgung.
Im vereinseigenen Sozialen Netzwerk listet Guido akribisch auf, was den einzelnen Booten fehlt. Von oben nach unten gelesen klingt es eher so, als sei die gesamte Flotte in eine Art Gefechtshandlung verwickelt gewesen – oder in „Stock-Car“-Rennen auf dem Wasser. Beispiele: abgerissene Dollborde, augerissene Schotblöcke, tiefe Furchen im Laminat, zerstörte Mastduchten, delaminierte Bodenbereiche, zerstörte Verklickerbeschläge, eingekerbte Ruder und Schwerter usw. usw. Zur – wenn auch nur teilweisen – Ehrenrettung der Seglertruppe muss wenigstens gesagt werden, dass nicht alle Schäden aus der vergangenen Saison stammen. Guido, Malte, Finja, Thomas und Janek hatten den gesamten Bootsbestand gründlich durchforstet und dabei auch die Jollen von der Wand geholt, die schon mehrere Jahre auf ihre Überholung warteten.
In mehr als einem Fall hatte Guido Boote auf der Liste mit einem großen roten Fragezeichen im Hinterkopf versehen. Denn so sehr wir an jeder Jolle hängen, muss letztlich immer die Frage beantwortet werden, ob sich der Aufwand wirklich lohnt. So ist unter den „Europe“-Jollen ein Boot, das äußerlich so aussieht, als ob es frisch aus der Werft geliefert worden ist. Nur wenn es bewegt wird, fängt es überall im Inneren an zu knistern und zu klicken wie ein Kniffel-Würfelspiel. Da mussten wir nicht lange raten, um zum traurigen Schluss zu kommen, dass sich der Rumpf im Lauf der Zeit völlig delaminiert hat – Urteil: Totalschaden.
Auch einer unserer vermeintlich besten „Optis“ lieferte bei seiner Inspektion ein sehr trauriges Bild: tiefer Riss durch das Laminat, umlaufend abgerissenes Dollbord, Mastducht regelrecht zerstört … Und ärgerlicherweise zeigte sich zudem, dass einige Schäden nicht zum ersten Mal ausgebessert werden müssen. Also was tun?
Nach reiflicher Überlegung entschlossen wir uns dann doch dazu, die Reparatur in Angriff zu nehmen, die man in diesem Fall guten Gewissens eine Restaurierung nennen kann. Formen müssen gebaut, es muss laminiert, Epoxid gegossen, Holz bearbeitet werden. Eigentlich wäre das eine gute Aufgabe für ein ganzes Team, das sich gegenseitig unterstützen und mal eine Hand „ausleihen“ kann. Geht aber nicht. Also ist dieser „Optimist“ ein Fall für eine Aufteilung in viele kleine Aufgaben, die in einer Art Staffel abgearbeitet werden. Die Einkaufsliste für das fehlende Material wird derweil länger und länger.
Das ist nur eine Baustelle: Die übrigen „Optimisten“ wollen ebenfalls gebührende Aufmerksamkeit. Thomas und Guido hatten in einer Jolle eine delaminierte Stelle im Boden entdeckt. Viele kleine Löcher mit dem Bohrer in diesem Bereich machten den Zugang frei, um Epoxid in die Hohlräume spritzen zu können und dem Bootsboden wieder die nötige Stabilität zu verschaffen. Eine Jolle weiter war wieder ein ganz eigenes Problem zu bewältigen: Der Schotblock war aus dem Boden herausgerissen. Auch hier musste abgedichtet, laminiert und verstärkt werden. Nach erfolgter Operation künden nun Leisten und Steine zur Beschwerung bei der Aushärtung von dem erfolgten Arbeitsschritt.
Und die jüngeren Mitglieder? Auch für die geht der Betrieb weiter. An diesem Wochenende hatten Finja und Janek erneut zur virtuellen Gruppenstunde eingeladen: auf dem Programm weniger Spiel und Spaß, sondern vielmehr harte Theorie. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer übten per Webcam und Bildschirm diverse wichtige Knoten, erläuterten, wozu sie die jeweiligen „Geflechte“ einsetzen. Danach ging es an die Computer-Tafel. Wie fahre ich einen Aufschießer? Wie einen Fast-Aufschießer? Wozu brauche ich das überhaupt? Und als diese Fragen geklärt waren, kam es zur Kür – Finja und Janek besprachen mit der Gruppe die Mensch-über-Bord-Manöver in allen Einzelheiten. Im Sommer, so Finja, werde das auch reichlich in der Praxis mit ausgeworfenen Bojen geübt. Janek versprach sogar: „Wenn das dann gut klappt, lasse ich mich auch selbst ins Wasser fallen und von Euch retten.“ An diese Aussage wird sich die kleine Segler-Gemeinde mit Sicherheit bei passender Gelegenheit erinnern … Da reichte wahrscheinlich auch nicht die übliche Runde eSailing vor den Bildschirmen als Ablenkung aus. 😉
Klaas