Ein Kutter lernt zu fliegen …

Lasst die Kiste laufen … „Fritjof“ legte heute auf der Kieler Förde richtig los. Foto: har

Windstärke 4 bis 5, in Böen 6 bis 7, bedeckter Himmel, ab und zu leichter Nieselregen – also ideales Wetter für einen Marinekutter: Im Boot saßen heute überwiegend erfahrene Seglerinnen und Segler. Und alle hatten richtig Lust auf einen Nachmittag, der auch ein bisschen feucht werden durfte. Als der Wind vor der Hafeneinfahrt in die Segel griff, war klar, dass es heute ein bisschen schneller zugehen würde. Aber vor dem Vergnügen kommt die Arbeit. Zunächst führte uns der Weg etwas tiefer in die Innenförde, um noch einmal am Vereinssteg anzulegen. Für die Sommersaison gehört ein wenig Auftriebsmaterial in die ansonsten hohlen Schwimmkörper des Bootes. In unsererm Fall sind das – kein Witz – Dutzende „Schwimmnudeln“, die sich nicht mit Wasser vollsaugen können. Nach einem zügigen Anlegemanöver wurde der Kutter schnell festgebändselt. Dann schleppten Arne und Cathrine die quietschbunten Schwimmhilfen aus dem Marineheim zum Boot. Rosa, gelbe, grüne, blaue Schwimmnudeln verschwanden nach und nach in den Inspektions-Öffnungen des Bootes, bis aus den Hohlräumen im wahrsten Sinn des Wortes die Luft raus war.

Alle Segel hoch: Der Boot und Wind verlangten geradezu danach. Foto: har

Dann ging es schleunigst wieder Richtung Norden. „Alle Segel hoch?“ Ein Blick in die Runde, allgemeines Grinsen – und nach Fock, Flieger und Besan stieg auch noch das Großsegel auf. Wer die Konturen eines Marinekutters im Hinterkopf hat, weiß, dass es bei dieser Konstruktion um Sicherheit, nicht um Geschwindigkeit geht. Aber „Fritjof“ wollte uns heute zeigen, dass er beides drauf hat: Die Segel standen wie Bretter, das Brummen des großen Stahlschwerts unter dem Boot übertrug sich als Vibrieren auf die Bordwand, und in Lee kam ab und zu auch ein bisschen Wasser über das Runzelbord.

Eine alte Sturmfock als Flieger: Das zweite Vorsegel gibt dem schweren Marinekutter auf Amwind-Kursen spürbar die Sporen. Foto: har

Klar, dass wir wissen wollten, was der Kutter so kann. Stetige Blicke auf die GPS-Logge ließen uns auch staunen: 5,4 Knoten, 5,7 … 6,0 … Bei 6,7 Knoten Fahrt über Grund war heute dann Schluss. „Mehr als 7,2 Knoten sind auch nicht rauszuholen“, bremste Kassenwart und Kutterführer Stephan unseren Enthusiasmus. Aber wir waren zumindest nahe dran heute. Zwei Stunden vergingen wie im Flug. Malte, der bei diesem Ritt tapfer die Pinne gehalten hatte, wurde auch zum Logbuch-Eintrag verdonnert: War aber nicht schlimm. Denn wer kann schon nach einer Tour mit einem ZK-10-Kutter solche Geschwindigkeiten niederschreiben? Und, darauf legen wir Wert: Wir waren mit unseren uralten Segeln auf Fahrt gegangen. Die frischen, neu gefertigten Tücher sind aber fertig und werden bald vom Segelmacher unseres Vertrauens abgeholt. Und dann, dann gibt es auch die 7,2 auf der Logge!
Klaas

Stefan hält Ausguck, wahrscheinlich auf der Suche nach einem offenen Fischbrötchen-Stand. Aber damit hatten wir heute leider Pech. Foto: har

Mit Klüverbaum und Flieger

Der Klüverbaum weist die Richtung: Donnerstag-Tour mit „Fritjof“ auf der Förde. Foto: har

Ein Marinekutter mit Klüverbaum, Stampfstag und zusätzlichem Vorsegel? Ungewöhnlich, aber auf der Kieler Förde seglerische Realität. Heute waren wir zum ersten Mal in dieser Saison mit vier statt mit drei Segeln unterwegs. Bei Nieselregen wurde das zusätzliche stehende Gut aufgeriggt. Und nach einer halben Stunde Bastelarbeit glitt „Fritjof“ bei wenig Wind aus dem Hafenbecken, über der Fock ein so genannter Flieger.

Laune hui, Wetter pfui: „Fritjof“ pflügt mit seiner Crew über die Kieler Förde. Foto: har

Da die Besatzung aus Hygieneschutz-Gründen auch beim Kuttersegeln zurzeit personell reduziert werden muss, war es ein glücklicher Umstand, dass statt der angesagten Böen bis Bft. 6 nur laue Lüftchen über der Förde wehten. Das machte das Experiment, wieder mit vier statt drei Segeln zu fahren, deutlich einfacher. Die zum Flieger umgewidmete alte Sturmfock, die ihren Platz hoch vor dem Großmast fand, machte ihre Sache gut und zog den alten ZK-10-Kutter mit durchs Wasser. Diesige Sicht, aufziehender Seenebel und immer wiederkehrender Regen wurden schlicht ignoriert. Allerdings hatte „Fritjof“ die Förde weitestgehend für sich allein. Kein einziges Segelboot außer dem Marine-Jugend-Kutter traute sich in dieser Zeit auf das Wasser. Was blieb, waren ein wunderschöner ruhiger Segelnachmittag, eine Ladung völlig durchweichter Bekleidung – und das zwangsweise „Rückwärts-Einparken“ in die Box im Hafen. Denn so ein Klüverbaum macht nicht nur ganz schön was her; er will auch beim Anlegen geschont werden.
Klaas

Der Kutter kann immer – egal bei welchem Wetter!

Mit „Physikerstephan“ an der Pinne geht es Richtung Norden.
Mit „Physikerstephan“ an der Pinne geht es Richtung Norden.
Mit „Physikerstephan“ an der Pinne geht es Richtung Norden. Foto: Klaas

Auch wenn die Optimisten und größeren Jollen wegen unterschiedlicher Wetterbedingungen noch nicht richtig zum Zuge gekommen sind: Unser ZK10-Kutter „Fritjof“ spult mehrmals die Woche Seemeile um Seemeile ab. Viel Wind? Kein Problem. Wenig Wind? Auch kein Problem. Sonne? Gern genommen. Regen. Wird ignoriert. Hauptsache raus auf das Wasser. Kuttersegeln ist Teamwork. Kein Manöver klappt von allein. Und das genau macht den Reiz aus. Klaas

Mit „Fritjof“ auf der Kieler Förde

Kuttersegeln bedeutet Teamarbeit. Jeder im Boot hat seinen Platz und muss sich darauf verlassen, dass die anderen Mitsegler immer aufpassen und mitmachen. Alles, was grundsätzlich bei diesem Sport wichtig ist, lässt sich im Kutter erlernen. Deshalb ist es kein Wunder, dass viele erfahrene Segler sagen: Wer Kuttersegeln kann, kommt im Prinzip mit jedem Boot zurecht. Es macht auch Heidenspaß, mit diesem sehr ursprünglichen Boot unterwegs zu sein. Einen kleinen Eindruck bekommt Ihr hier – wenn wir mit unserem „Fritjof“ auf der Kieler Förde bei wechselnden Winden unterwegs sind. https://youtu.be/V_i1boWJVuY

Kuttersegeln mit unserem treuen ZK-10-Kutter „Fritjof“. Einen Eindruck davon, wie es aussieht, wenn er sich bewegt, bekommt Ihr in unserem kleinen Video. Foto: Hartmann-Moritzen