
Jörn brachte es als Kutterführer von „Fritjof“ gleich zu Beginn der Marinekutterregatta mit einer Ansage auf den Punkt: „Wir können uns hier mit den Hightech-Booten nicht messen, aber wir sind hier, um gut zu segeln. Und alle sollen hier ihren Spaß haben. Darum geht es!“ Und genau das passierte in den folgenden Tagen auch. Wie immer hatten wir „Aneesa“ und „Fritjof“ bereits am Freitag vom Sportboothafen in den Marinestützpunkt überführt. Der nicht ganz passende Wind verleitete uns dazu, noch den einen oder anderen kleinen Schlag auszuführen, um das gute Wetter zu genießen.
Im Stützpunkt angekommen, warteten wir auf die Freundinnen und Freunde von der Marine-Jugend Braunschweig, die schon bei der Anfahrt ziemliches Pech hatten: Es war ein falsches „Zugfahrzeug“ für den Kuttertrailer von der Leihfirma bereitgestellt worden – ohne Anhängerkupplung. Dutzende Telefonate später hatte sich eine Lösung gefunden: der Camper eines Freundes einer Kollegin eines MJ-Mitglieds … Der Wagen musste natürlich wie ein rohes Ei behandelt werden. Die „Pisagua“ schaffte es gerade so nach Kiel, fünf Minuten bevor der Kran abgeschaltet wurde.

Der nächste Morgen verlief auch anders als gewohnt: Die Besprechung der Steuerleute fand erstmals seit längerer Zeit wieder in einem geschlossenen Raum statt – und der war diesmal so klein, dass eben nicht die Crews mit zuhören konnten. Kürzer als sonst war die Besprechung allerdings auch nicht … 😉 Als es mittags an die Startvorbereitung für die erste Wettfahrt ging, passierte das Unglück: Steuermann Sven von der Marine-Jugend Braunschweig stürzte so unglücklich im Kutter, dass der Bruch des Fußes ziemlich offensichtlich war. Den Steuermann an der Kuttermole zwei Meter aus dem Boot zu ziehen, war für den Verletzten unzumutbar; also pullten Momo und Klaas die „Pisagua“ ins Nachbarbecken zum niedrigeren Bootssteg. Der Wind war an diesem Tag eher mau, sodass die „Pisagua“ mit zwei Riemen unterwegs mehrere Kutter unter voller Besegelung überholte. Im Gedränge des „Open Ships“ des Marinestützpunkts wurde Sven versorgt und ins Krankenhaus gebracht, gefolgt von Franzi und Tochter Milja – was nun eine echte Lücke im Braunschweiger Boot bedeutete. Die Crew verzichtete auch schockiert von den Ereignissen auf eine Teilnahme an den Wettfahrten dieses Tages. Franzi und Sven brachen nachvollziehbar ihre Teilnahme ab und fuhren nach der ersten Versorgung nach Braunschweig zurück. Am nächsten Tag stieg Finja auf der „Pisagua“ ein und übernahm dort die Pinne. Zwei Wettfahrten waren zwar nicht mehr aufzuholen, aber: siehe Jörnis Anmerkung am Beginn dieses Textes.

„Fritjof“ und „Aneesa“ schlugen sich derweil wacker auf der Förde und ließen zumindest den Abstand zur übrigen Flotte nicht zu groß werden, hielten gut mit, segelten aber eben vor allem gegeneinander und gegen die „Pisagua“. Die drei Kutter blieben folgerichtig auch immer nah beieinander. Da die ZK-10-Kutter und die Offene Klasse in kurzem zeitlichen gestartet wurden, kam es an den Wendemarken öfter zu Fast-Kollisionen. So wurde „Aneesa“ bei einer Gelegenheit dermaßen die Vorfahrt genommen, dass nur ein „Letztes-Augenblick“-Manöver und viele Hände zum Abhalten des Marinekutters größere Schäden verhinderten. Auf einen Protest verzichtete die „Aneesa“-Crew. An der eigenen Platzierung hätte dieses Verfahren ja nichts geändert.
Das berühmte Kieler-Woche-Wetter, das schon in den Bereich der Legenden verbannt war, schlug bei dieser Regatta allerdings zu. Sonnenschein und wenig Wind oder Regen und viel Wind. Die ZK-10-Kutter erhielten die erste Variante; aber am Ende des zweiten Tages zog es zu, und der Wind frischte ebenfalls auf, verbunden mit der Warnung vor Gewitterzellen. Folgerichtig brach die Wettfahrtleitung die Regatta vor dem Start zur sechsten Wettfahrt ab und blieb auch am nächsten Morgen bei dieser Entscheidung. Die Konsequenz: Keine Wettfahrt konnte für das Gesamtergebnis gestrichen werden. Ein ganz ehrliches Ergebnis sozusagen.

Erfahrungsgemäß haben die Alltagsboote der Marine-Jugend-Vereine bei der Kutterregatta vorn nichts mitzureden. Zu groß ist der technische Abstand zu den reinen Regattabooten. In den Pausen zwischen den Wettfahrten staunten wir über Spinnakerschot-Führungen mit Rollen unter den Sülls, aufwändige Rollanlagen, gewalzte Edelstahlschwerter, riesige gebogene Traveller für Groß und Besan, Ausreitgurte, Taljen für jedes Want, diverse lange Schienen zur Verstellung von Holepunkten etc. Die Schiedsrichter lobten unsere Vereine angesichts dieser Umstände ausdrücklich. Es habe in der Vergangenheit sogar Gedanken gegeben, wegen dieser Unterschiede eine Teilung der Klasse in Erwägung zu ziehen. Aber das Bootsfeld wäre dann einfach zu klein.
Vor diesem Hintergrund und als Motivation für andere Marine-Jugend-Vereine, zur Kieler Marinekutterregatta zu kommen, hatten wir vor einigen Jahren ja die Wanderpreise für MJ-Crews in der Offenen Klasse und der Klasse ZK-10 gestiftet. In diesem Jahr hatte „Fritjof“ hier die Nase vorn. „Fritjof“ hatte exakt die gleiche Punktzahl wie „Aneesa“ ersegelt, war zwei Mal schlechter, aber eben auch ein Mal besser gewesen. Und dieser siebte Platz gab dann den Ausschlag. 😉
In der Offenen Klasse hatten wir in diesem Jahr auf einen Start nach den Erfahrungen von 2024 verzichtet, weil wir den möglichen Kutterführerinnen und -führern nicht mehr zumuten wollten, an jedem Wettfahrtmorgen hinter einzelnen Besatzungsmitgliedern hinterherzutelefonieren und nicht zu wissen, ob ein Start überhaupt möglich ist. Aber zum Glück starten ja noch andere Marine-Jugenden in dieser Klasse. Und so durften wir unseren Wanderpreis für die beste MJ-Besatzung in der Offenen Klasse in diesem Jahr an die Marine-Jugend Wertheim überreichen, deren Crew sich riesig über die Auszeichnung freute. Der Verein segelt seit 30 Jahren bei der Marinekutterregatta, aber immer irgendwo in der Mitte. Und unser Wanderpreis war der erste in der Vereinsgeschichte. Im Vorjahr hatte die Marine-Jugend Helmstedt hier die Nase vorn gehabt.
Nachdem wir unserer Kutter in den Sportboothafen zurückgebracht, mit den Braunschweigern Zelte abgebrochen und ausgiebig gefrühstückt hatten, versammelten wir uns mit mehreren hundert Seglerinnen und Seglern schließlich zur würdigen Siegerehrung im Filmsaal des Stützpunktes. Und wir werden sicher der Aufforderung der Wettfahrtleitung folgen, die allen zurief: „Auf Wiedersehen bei der 137. Marinekutterregatta im Jahr 2026!“

Für Braunschweig hatten wir uns noch schnell einen ganz kleinen „Sonderpreis“ zurechtgebastelt, denn das Pech der MJ BS war in diesem Jahr wirklich außerordentlich. Und die Braunschweigerinnen und Braunschweiger zeigten sich sehr dankbar für die Unterstützung, die sie trotz allem bekommen hatten. Alle Ergebnisse finden sich auf www.marinekutterregatta.de/aktuelles
Klaas
Ein schöner Bericht! Vielen Dank und BZ für die Seglerinnen und Segler!
Dieter